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Mit welchen Schiffen wurde der Wal gejagt?



Die Schiffstypen, mit denen man gen Norden fuhr, mussten nicht nur hochseetüchtig sein, sondern auch weitere Anforderungen erfüllen. Zunächst wurde in den Buchten (Baien) Spitzbergens und der Insel Jan Mayen gefischt und der Wal gleich vor Ort verarbeitet. Für die in diesem Rahmen erforderlichen Transporte von Mannschaft, Werkzeugen und Ausbeute genügten die zeitgenössischen Schiffstypen.1

Im 17. Jahrhundert waren die europäischen Walfänger daher noch vom Typus Fleute – einem niederländischen Handelsschiff, das etwa 30 Meter lang war, aufgrund seiner Takelung mit wenig Besatzung auskam und schnell und günstig gebaut werden konnte. Fleuten besaßen neben einem flachbodigen Rumpf drei voll getakelte Masten, ein rundes Heck, ein schmales Deck und einen kleinen Heckspiegel (das über der Wasserlinie liegende Schiffsende).2

Before After

Der Walfang verlagerte sich im 18. Jahrhundert von der Baienfischerei zunehmend auf die offene See westlich von Spitzbergen. Dafür wurde aus der Fleute das im Walfang weitverbreitete Bootschiff entwickelt. Auch dieses hatte drei vollgetakelte Masten, jedoch ein breiteres Deck, um den Wal besser verarbeiten zu können, und einen breiten, hochgezogenen Heckspiegel. Nun mussten die Schiffe möglichst auch den Eisfeldern standhalten, wofür unter anderem eine doppelte Beplankung sorgte.3

Im 19. Jahrhundert wurden dann moderne Handelsschiffstypen – Briggen, Barken, auch Fregattschiffe – verwendet, doch nahm die Bedeutung des Walfangs aufgrund der abgefischten Walfanggründe zugunsten des Robbenschlags ab.4 Diese drei genannten Schiffstypen waren schlanker und schneller, was bei Handelsfahrten – z.B. Teelieferungen – einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bot.

Mehr über die historischen Grönlandschiffe, auf denen die Nordfriesen mitsegelten, berichtet Volkert F. Faltings von der Ferring Stiftung, Amrum und Föhr:

Before After

Das nordamerikanische Segelschiff „Charles W. Morgan“ ging im Pazifik und nicht im Nordatlantik auf Walfang. Es ist ein typisches Beispiel für ein nordamerikanisches Vollschiff des 19. Jahrhunderts. Sein breiter, gedrungener Rumpf konnte viel Walöl aufnehmen, das an Deck auf einem Ofen direkt aus dem Speck ausgekocht wurde. Das Schiff war aufgrund seiner Bauart nicht schnell, da es aber in wärmeren Gefilden mehrere Jahre unterwegs sein konnte, waren die Speicherkapazitäten entscheidender. Vier Walfangboote waren an Back- und Steuerbord aufgehängt, wo sie bei Walsichtung schnell ins Meer heruntergelassen werden konnten. Das Deutsche Museum besitzt ein Modell der „Morgan“.

Die originale „Charles W. Morgan“, die von 1841 bis 1921 auf 37 Reisen als Walfänger genutzt wurde, liegt heute im Hafen des Mystic Seaport Museum in Mystic, Connecticut vor Anker, wo sie als Museumsschiff besichtigt werden kann. Sie ist nicht nur das letzte erhaltene Segelschiff der nordamerikanischen Walfangflotte, sondern auch der letzte hölzerne Walfänger der Welt.

Um 1776 fertigte ein unbekannter Seefahrer auf Föhr ein Ölgemälde an. Das Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum besitzt davon diese Kopie aus dem 20. Jahrhundert.5

Auf dem Ölgemälde sind einige Walfangszenen nebeneinander und damit zeitlich verdichtet angeordnet, die normalerweise nacheinander und in größerer Entfernung voneinander ablaufen. Fünf Vollschiffe fahren sowohl unter britischer als auch niederländischer und dänischer Flagge. Die nordfriesischen Insulaner fuhren zumeist auf Schiffen der Niederländer via Hamburg ab Amsterdam oder auf Schiffen der Dänen ab Kopenhagen mit. Außerdem sind elf kleinere Ruderboote zu sehen, mit denen die Mannschaften der Schiffe jeweils an den Wal heranrudern, um ihn zu erlegen und zum Mutterschiff zu ziehen. Das Abspecken (Flensen) des Wals erfolgt dann seitlich an den Schiffen.

Der Wal war stark, daher musste die Mannschaft geschickt sein, um ihn zu fangen.

„VIS. VICINTUR. ARTE“ – „Kraft wird durch Geschicklichkeit besiegt“, so steht es auf dem Gemälde über den Schiffen geschrieben: Der Wal war stark, daher musste die Mannschaft geschickt sein, um ihn zu fangen. Wie auch gezeigt wird, war Walfang ein Gemeinschaftsunternehmen. Eine Grönlandfahrt dauerte durchschnittlich fünf Monate lang, in denen viel geschehen konnte. Um größere Jagderträge einzubringen, sich vor Überfällen anderer seefahrender Nationen zu schützen und sich im gefährlichen Packeis notfalls helfen zu können, schlossen sich mehrere Partner temporär zu „Mackerschaften“ zusammen. Dabei jagte man zusammen und teilte die Beute.

Segelschiffe hatten für die zur See fahrenden Insulaner eine große kulturelle Bedeutung. Daher ließen sich Seeleute, die mit der Zeit zu Geld und Ansehen gekommen waren, gerne Schiffe auf ihre Grabsteine setzen. Diese stehen heute noch auf einigen Friedhöfen der west-, ost- und nordfriesischen Inseln des Wattenmeers – wie Amrum und Föhr.

Einer von ihnen war der Amrumer Kommandeur Knudt Wögens (1696–1758). Er fuhr insgesamt 32 Jahre zur See und kommandierte im Auftrag einer Hamburger Reederei die letzten zehn Jahre das Schiff „De Gekroonde Hoop“.6

Auf dem aus rotem Sandstein hergestellten Grabstein des Föhrer Seemanns Boye Ocken (1701–1773) aus Oevenum ist kein Schiff, sondern ein Grönlandwal zu sehen, der auf der Meeresoberfläche schwimmt. Die Grabsteinfliese wurde passenderweise auf einen Walknochen genagelt, wie dies auf Föhr und der niederländischen Nordseeinsel Ameland Brauch war. Die aufwendige Machart des Grabsteins weist nicht nur darauf hin, dass Ocken wohlhabend gewesen sein muss, sondern zeigt mit dem Wal auch, woher sein Wohlstand stammt.8 Wale und die aus ihnen resultierende Erträge waren für die Seeleute ein Geschenk Gottes.

Literatur zur Schifffahrt

Jan I. Faltings: Föhrer Grönlandfahrt im 18. und 19. Jahrhundert und ihre ökonomische, soziale und kulturelle Bedeutung für die Entwicklung einer spezifisch inselfriesischen Seefahrergesellschaft. Husum 2011 (Schriftenreihe des Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museums, N.F., Heft 25).

Glenn A. Knoblock: The American Clipper Ship, 1845-1920. A Comprehensive History, with a Listing of Builders and Their Ships. Jefferson, North Carolina 2014. S. 223f.

Sebastian Lehmann: Föhrer Walfang. Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte einer nordfriesischen Insel in der Frühen Neuzeit. Teil 1. In: Deutsches Schiffahrtsarchiv 23 (2000), S. 163–202.

Sebastian Lehmann: Föhrer Walfang. Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte einer nordfriesischen Insel in der Frühen Neuzeit. Teil 2. In: Deutsches Schiffahrtsarchiv 24 (2001), S. 157–186.

Harro Nötel: VIS. VINCITUR. ARTE. Anmerkungen zu einer Darstellung des Walfanges aus dem 18. Jahrhundert. In: Jahrbuch der Altonaer Museum in Hamburg / Norddeutsches Landesmuseum 1982-1988, Bd. 20-26. Hamburg 1989, S. 349–354 (Sonderdruck).

Harro Nötel: Geschlechterreihen St. Johannis–Föhr. Unter Mitarbeit von Jens-Hinrich Binder, Reinhard Jannen, Uta Marienfeld. Teil II. Husum 2006 (Nordfriesische Quellen und Studien, Hrsg. Ferring-Stiftung, Bd. 5).

Martin Rheinheimer: Waldarstellungen auf alten Grabsteinen der Wattenmeerinseln. In: Deutsches Schiffahrtsarchiv 33 (2010), S. 175–192.

Martin Rheinheimer: Die Insel und das Meer. Seefahrt und Gesellschaft auf Amrum 1700-1860. Stuttgart 2016 (Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 53).

Uwe Steffen: Der erfolgreichste Walfänger der Nordfriesen. Matthias der Glückliche und seine Zeit. Bredstedt 2009.

1 Faltings 2011, S. 108. Mehr zur Baienfischerei bei Lehmann 2000, S. 168f. Ders. 2001, S. 166f.

2 Faltings 2011, S. 107. Näheres bei Steffen 2009, S. 41–46.

3 Faltings 2011, S. 109. Weitere Typen bei Lehmann 2001, S. 167.

4 Faltings 2011, S. 109f.

5 S. hierzu Nötel 1989, S. 349.

6 S. hierzu Rheinheimer 2016, S. 575 (GRA 149. 1.8), S. 111 (Abb. und Typenbestimmung).

7 S. hierzu Steffen 2009, S. 76–80.

8 Nötel 2006, S. 423. Rheinheimer 2010, S. 183, hält Ocken wegen des für Grabsteine dieser Berufsgruppe sonst typischen, hier jedoch fehlenden Schiffs nicht für einen Kommandeur.