Computertomographische Aufnahmen gewähren eindrucksvolle Impressionen in das Innenleben der geheimnisvollen Chiffriergeräte und dienen als Grundlage für umfangreiche Analysen. Damit ist der Einsatz der Technologie sowohl für Forschungs- als auch für museumspädagogische Zwecke interessant. Im Folgenden sind beispielhaft einige Use-Cases aufgeführt.
Die CT-Technologie gewährt einen Einblick in das Innere der Chiffriergeräte. Umfassende Analysen und Visualisierungen, die mit anderen 2D- und 3D-Aufnahmen nicht möglichen wären, lassen sich mittels Computertomographie realisieren. Mit Hilfe eines Before/After Sliders kann z.B. die Mechanik und das geschlossene Gehäuse von Chiffriergeräten neben- und übereinandergelegt betrachtet werden.
Hagelin M-209, Inv.-Nr.: 2019-397
Die M-209 wurde zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von Boris Hagelin entwickelt. Die rein mechanische Chiffriermaschine war klein, handlich und hatte einen integrierten Drucker. Sie wurde von der US Army eingesetzt und ist vermutlich die meistproduzierte Chiffriermaschine weltweit.
Mithilfe von CT Aufnahmen können verschiedene Geräte desselben Typs auf einfache Weise verglichen werden. Abweichungen, bauliche oder zeitlich bedingte Veränderungen werden hierdurch sichtbar und erlauben weitere Analysen.
Im Folgenden werden zwei Exemplare der Kryha Standard Maschine anhand ihrer CT-Daten verglichen und ihre baulichen Unterschiede deutlich gemacht. Die erste Kryha (Inv.-Nr.: 62797) wurde ca. 1926 gebaut, das Vergleichsexponat (Inv.-Nr.: 2017-384) ca. 1952.
Anhand eines digitalen Schnitts des Gehäuses können Ähnlichkeiten und Unterschiede der Modelle klar erkannt werden. So ist etwa die Scheibe rechts des neueren Gerätes mit deutlich mehr Schrauben befestigt und es wurden zusätzlich mechanische Veränderungen im vorderen Teil vorgenommen.
Inv.-Nr.: 62797 (~1926)
Inv.-Nr.: 2017-384 (~1952)
Abweichungen lassen sich u.a. durch ein Mapping/Übereinanderlegen von CT-Datensätzen farblich codieren und visualisieren.
Im Beispiel der Kryha Standard fallen die baulichen Veränderungen im vorderen Teil ins Auge. Die Abweichungen oben auf den (drehbaren) Chiffrierscheiben der beiden Geräte sind den verschiedenen Stellungen derselben geschuldet und deuten nicht auf bauliche Unterschiede hin.
Farblich codierter Soll-Ist-Vergleich
Vor allem dank der 2D-Aufnahmen, die sich Bild für Bild betrachten lassen, können submillimeter genaue Details erkannt sowie digital vermessen werden.
So ist zum Beispiel deutlich der mechanische Sicherheitsmechanismus im taschenrechnergroßen Gerät Hagelin HC-520 auf den 2D-CT-Bildern zu erkennen. Zum Wechseln der Batterie und zum Öffnen des Geräts muss eine Schraube gelöst werden, die im Kontakt mit dem "tamper switch" steht. Wird diese Verbindung unterbrochen, löscht sich der interne Krypto-Speicher.
Elektronisches Chiffriergerät Hagelin HC-520, Inv.-Nr.: 2017-406
Basierend auf den CT-Daten können Oberflächenmodelle (surface meshes) erstellt werden. Aufgrund der Eigenschaft der Röntgen- und CT-Technologie Materialien zu durchdringen, muss hierfür zuerst die Oberfläche definiert werden. So lassen sich z.B. bei einer im Holzgehäuse gescannten Enigma Maschine entweder der Holzkasten, das Gehäuse der Enigma oder einzelne Bauteile als „relevante Oberfläche“ bestimmen. Die Resultate unterscheiden sich demensprechend im erzeugten 3D-Oberflächenmodell.
Diese Oberflächenbestimmung bestimmt zu einem bedeutenden Teil die Qualität des generierten Polygonnetzes. Die Bestimmung wird komplexer, schwieriger und fehleranfälliger, je ähnlicher die Materialien der Oberfläche und der sie umgebenden Bereiche sind. Ungenauigkeiten bei der Oberflächenbestimmung sind direkt im Mesh sichtbar. Bei komplexen technischen und aus mehreren (ähnlichen) Materialien bestehenden Maschinen stellt dies ein größeres Problem dar, als z.B. bei technisch weniger komplexen Objekten.
Mesh eines Enigma M4 Rotors, Inv.-Nr.: 2017-398
Die Königsdisziplin der CT-Nachbearbeitung ist die Segmentierung einzelner Bestandteile aus einem CT-Scan. Technisch ist dieser Prozess eng mit der Oberflächenbestimmung verknüpft – so kann aus einer guten Oberflächenbestimmung leicht eine Segmentierung erfolgen. Die Segmentierung einzelner Teile, v.a. auch die Auftrennung gleicher Materialien bietet darüber hinaus die Möglichkeit, komplexe Mechanismen durch Visualisierungen und einfache Animationen verständlich zu vermitteln.
Analog zur Oberflächenbestimmung lassen sich verschiedene Materialien einfacher segmentieren als ähnliche oder gar gleiche Materialien. So ist z.B. die Segmentierung einer Holzkurbel von einer Metallstrebe mit wenig Aufwand möglich, während die Trennung einzelner, ineinandergreifender Zahnräder voneinander viel Zeit in Anspruch nimmt.
Segmentierte Bauteile. Enigma M4, Inv.-Nr.: 2017-398